Einmal um die ganze Welt-juhu

Thursday, November 02, 2006

Im Damaraland

Am 29. Oktober fahren wir frueh morgens zunaechst die salzige Kuestenstrasse nach Norden. In Hentjesbay fahren wir bis an das Meer und wundern uns ueber die Haeuser, die direkt an der etwa 50 m hohen und steilen Sandkueste stehen. Ueber eine Gravelroad geht es dann ewig lange durch vegetationsloses flaches Gelaende in nord- oestlicher Richtung nach Uis. Allmaehlich erhebt sich linker Hand ein gewaltiges Gebirgsmassiv, der Brandberg. Dieser gewaltige Granitklotz gipfelt in dem hoechsten Berg Namibias, dem Koenigstein (2573 m).


Uis ist ein 120 Seelen- Ort in dem ausser dem Buergermeister, dem Lehrer und dem Polizisten nur Weisse wohnen. Die Arbeiter der ehemaligen Zinnmine wohnen ausserhalb in einer typischen Huettensiedlung. Von Weitem sieht man schon einen grossen weissen Berg, den Abraum aus der Zinngewinnung. Wir cecken in der White Lady Restaurant + Lodge ein. Johan, Besitzer und Barkeeper freut sich ueber die willkommene Abwechslung, mit uns die aufgelassene Mine zu besichtigen : "You will make a drive, you'll never forget!" Ich sitze am Steuer unseres VW Busses (kein 4x4!) und fahre entsprechend seinen Anweisungen ueber ein uebles Gelaende bis zu einem See im ehemaligen Tagebau. Hier, so sagt er, plant der Grundstuecksbesitzer eine Fisch- oder Krokofarm, zum Baden sei der See nicht geeignet. Ausser einem zweiten See im naechsten Loch leitet Johan mich die extrem steile Abraumhalde mit Zurufen wie "stay on the track" und "give power, power in the second gear!" hinauf. Mir ist Angst und Bange und Eri steigt sicherheitshalber aus. Kurz vor dem Gipfelplateau bleibt der Karren im tiefen Sand stecken. Nach zweimaligem vergeblichen Anlauf gelingt es Johan, den VW Bus auf den Sandgipfel zu fahren. Bei untergehender Sonne bietet sich uns von hier aus ein wunderschoener Ausblick in die bergige Umgebung. Noch abenteuerlicher ist die Fahrt direkt hinunter ueber den Steilabhang des Sandberges. Wir haben zwar Angst um unser Fahrzeug, doch denke ich 'Johan wird schon wissen was er tut'.


Am Rande von Uis zeigt er uns noch ein Areal mit 16 Graebern. Hier liegen 15 Touristen samt ihres Guides, die in den 60- er Jahren auf Tour hier ein Braai hatten. Sie machten ein Feuer mit Euphorbienholz und grillten ihr Fleisch, welches sie anschliessend verzehrten. Sie legten sich dann zur Nachtruhe hin und wachten nicht wieder auf. Der giftige Rauch des Euphorbienholzes hat auch das Fleisch und schliesslich auch die Menschen vergiftet. Wieder einmal erkennen wir, wie viele Gefahren dieses schoene Land fuer unbedachte Touristen in sich birgt.

Der naechste Tag fuehrt uns zu den bedeutendsten Felsmalereien Afrikas, der "White lady". Die knapp einstuendige Wanderung im Tsisab- Rivier ist eine willkommene Abwechslung zu den langen Fahrabschnitten unserer Reise. Mit einem Guide (Pflicht) gehen wir durch tiefen Sand, ueber grosse Felsbloecke und stacheliges z. T. dichtes Gebuesch, was auf Grundwasser hinweist. Auch einige wilde stattliche Feigenbaeume saeumen den Pfad. Zu beiden Seiten begleiten uns steile mit riesigen Granitbloecken bedeckte Bergflanken in den Farben braun, rot und schwarz (Wuestenlack). Mehrere riesige Granitbloecke, die einen Ueberhang aufweisen dienten vor etwa 5000 Jahren Buschleuten als zeitweilige Wohnstaette. Zeugen ihrer Anwesenheit sind die noch heute gut sichtbaren Felsenmalereien, fuer die Tierblut, vermischt mit Fett, zermahlenen Strausseneiern und rotbraunem Eisenocker verwendet wurde. Dargestellt wurden Tiere und Menschen. Die White lady ist am bekanntesten, da ihre weisse Farbe zu abenteuerlichen Deutungen fuehrte: minoische oder phoenizische Kulturimpfungen oder weisse Goetter? Heute geht man davon aus, dass es sich um einen mit weisser Farbe bemalten ritualisierenden Medizinmann handelt. Uns beeindrucken allerdings die Tierdarstellungen mehr: Giraffen, Springboecke, Zebras und Kudus.


Die Fahrt ins innere Damaraland geht zunaechst durch stark besiedelte und ueberweidete Huegellandschaft. Am Strassenrand bieten Maenner Mineralien an, waehrend Frauen in Hererotracht uns gleichermassen gekleidete Puppen entgegen halten.


Da hier keine Farmen sind fehlen auch die Zaeune. Allmaehlich wird die Landschaft felsiger und farbenfroher: roter Sand, grauer Granit, blauer Himmel und gruene Baeume in den weisssandigen Rivieren. An Sehenswuerdigkeiten besichtigen wir als Naechstes einen "Versteinerten Wald" (Petrified forest). Es handelt sich um 260 Mio Jahre alte Baumstaemme, eine Araukarienart, die vom Schmelzwasser damaliger Gletscher entwurzelt wurden.


Von Sand bedeckt, wurde das Holzmaterial mit der Zeit durch Kieselsaeure ersetzt. Die Holzstruktur ist so taeuschend echt, dass man erstaunt ist, wenn man den kalten, schweren Stein spuert. Ein kleiner 9- jaehriger Junge ist unser "Guide". Er spricht nur einzelne Worte Englisch wie "old stones, flower- female (= weibliche Welwitschias), elefant bone", ist aber sehr stolz auf die Aufmerksamkeit, die wir ihm schenken.
Bei den "Orgelpfeifen", die wir als naechstes anfahren, handelt es sich um ein Rivier, dessen Flanken aus poligonalen Basaltsaeulen bestehen.


Durch schnelles Erstarren der Basaltschmelze bildeten sich Schrumpfrisse, die zu dieser Saeulenbildung fuehrte. An der Oberflaeche nahm der schwarze Basalt durch Oxidation eine rote Farbe an. Wir erinnern uns angesichts dieser eher kleinen Saeulen an die gewaltigen hexagonalen schwarzen Basaltsaeulen der Detunata in den rumaenischen Westkarpaten. Wie oft faelschlich behauptet wird, ist diese Saeulenbildung kein Kristallisationsprozess. Man kann sich diese Schrumpfung durch die Beobachtung an eintrocknendem Schlamm, wie hier in der Wueste beobachtet, gut vorstellen.


Beim "Verbrannten Berg" drang vor circa 120 Mio Jahren Basaltlava in Tonschiefer ein. Dieser wurde durch die grosse Hitze regelrecht gefrittet; man nennt das Kontaktmetamorphose. Eisenhaltige Mineralien wandelten sich in blutroten Haematit und organische Bestandteile des Tons verkohlten (schwarz). Durch Verwitterung bilden sich oberflaechliche Lagen aus gelbbraunem Eisenocker- ein faszinierendes Farbenspiel.


Kurz vor Torschluss erhalten wir noch Einlass zu den Felsgravuren von Twyfelfontein. Man schaetzt sie ebenso alt wie die genannten Felsmalereien. Wie wurden durch Schlagen und Kratzen in den Sandstein eingearbeitet. Ausser den ortstypischen Tieren und Sanjaegern finden sich auch Abbildungen von Robben. Vermutlich gingen die nomadisierenden San gelegentlich auch bis an die entfernte Kueste des Atlantiks.


Nach derartig vielen interessanten Eindruecken beschliessen wir den Tag im Camp Xaragu, zunaechst bei einem mehrgaengigen Abendessen bei Petroleumbelaeuchtung und naechtigen in einem Zweibettzelt. Trotz kurzem Gewitter schlafen wir bei der herrlich frischen Gebirgsluft wunderbar. Die Abend- und Morgentoilette taetigen wir in der urigen halb aus Stein und halb Reet konstruierten Dusch- und WC-Zelle.

Beim Fruehstueck bestaunen wir die uns umgebende Tiermenagerie: Warzenenten, ein junger Steinbock, Katzen, Strauss, Baboon (Pavian), Pferde und Erdmaennchen, sowie in Terrarien gehaltene Schlangen. Wir fahren zur Verabredung mit Frankoline Flights. Wolfgang, der Pilot fliegt mit uns und weiteren zwei Gaesten etwa 3 Stunden lang mit seiner Cessna bis zur Skelettkueste. Waehrend des Fluges wechselt sich Sonnenschein mit Wolken und Regen ab. Voellig untypisch wird das Wetter beim Flug ueber die Namibwueste zur Skelettkueste hin immer besser. Staendig wechselt das Landschaftsbild: Zunaechst ueber die oben beschriebenen Landschaften, dann weiter westwaerts ueber bizarr gefaltete und vielfarbige Gesteinsschichten. Diese Damara Gesteinsformation wechselt in den Farben blaugrau, gelb und braun und besteht aus 700 Mio Jahre altem Glimmerschiefer und Grauwacke (metamorpher Sandstein). Bei den gewaltigen Erdbewegungen waehrend des zerbrechenden Gondwana- Kontinents wurden die Gesteinsschichten fast senkrecht hoch gedrueckt.
Im Blickfeld taucht ein grosser schwarzer Gesteinskreis auf, Ueberreste des einst gewaltigen Doro- Vulkankraters. Die Umgebung des Vulkans ist teilweise rot und schwarz gefaerbt, aehnlich wie beim verbrannten Berg, jedoch groesser und bizarrer.

Mitten in dieser Steinwueste erscheint eine kleine gruene Oase mit einer Wasserstelle und Mauerreste, ueber deren Herkunft und Alter man nicht Bescheid weiss. Zur Kueste hin folgen die mit Flechten bedeckten topfebenen Flaechen der Namib. Wir ueberfliegen die Schlucht des Ugab- Riviers und sehen einige kleine Punkte, das alte aufgelassene Zinnbergwerk und das Rhino- Camp.

Ein Steinwall zeigt den alten Kuestenverlauf, zu dem wohl das abgedriftete Suedamerika passen wuerde. Nach einigen weissen Sandduenen ueberfliegen wir die schaeumende Kueste des Atlantiks. Wir folgen dem Kuestenverlauf nordwaerts und sehen zwei Schiffwracks, sowie viele Robben und das noerdliche Tor "Skelett Coast Nationalpark".

Beim Rueckflug geht es ueber die mehr als 1000 m hohen Tafelberge des Kuestengebirges, das nach Osten hin von stark veraestelten Rivieren durchzogen ist. Sie sind dicht mit goldgelbem vertrocknetem Gras bedeckt, welches zu den grauen Bergen einen schoenen Farbkontrast bildet. Die Grasflaechen haben stellenweise kreisrunde kahle Narben, an deren Raender das Gras dichter zu sein scheint. Ueber die Herkunft dieser Hexenkreise wird noch geforscht und geraetselt. Da sie auch in Flechtenfeldern vorkommen hat Eri eine eigene Theorie: Aehnlich wie bei den Hexenringen der Pilze bei uns, koennten Pilzgeflechte aus den Flechtenfeldern stammend mit den Wurzeln der Graeser eine Symbiose eingegangen sein. Naehrstoffentzug und Mykotoxine koennten das Innere des Ringes unfruchtbar gemacht haben. Die Graeser am Ringrand hingegen profitieren von dem Pilz.

Raetselhaft ist auch das Wondergate, ein Dolinenloch von vermutlich mehreren hundert Metern Tiefe. Diese Schachthoehle harrt noch ihrer Erforschung und erfuellt die einheimische schwarze Bevoelkerung mit Furcht vor boesen Geistern, die darin hausen sollen.
Nach einem kurzen Plausch mit Wolfgang ueber die unsichere Zukunft der deutschen Namibianer fahren wir zunaechst nach Uis zurueck, essen im White Lady Restaurants und fahren auf Empfehlung Johans eine im Reisefuehrer als 4x4 Road ausgewiesenen Holperpiste suedlich um den Brandberg herum. Es ist ein eigenartiges Gefuehl die buntfarbige Landschaft des Vortags nun vom Boden aus zu entdecken. Die Sandflaechen zwischen den Sandkuppen sind ziemlich dicht mit Welwitschias bewachsen: von wegen seltene Pflanze! Besonders abenteuerlich gestaltet sich die steile, tiefsandige und enge Abfahrt an den Ugab zum Rhino Camp. Hier darf auch gar nichts passieren, eine Autopanne waere trotz reichlicher Wasser- und Nahrungsvorraete eine ziemliche Katastrophe! Zwei Frauen mit ihren Kindern auf dem Ruecken gebunden managen das sehr rustikale Camp. Wir stellen unser Fahrzeug in die Einfahrt der mit Grasmatten gegen wilde Tiere geschuetzte Einfriedung, ob die wohl gegen Elefanten und Rhinos Stand haelt? Nicht zuletzt warnt uns ein Schild im Inneren der Einfriedung: "Beware of Elefants and Lions!"

Plumpsklo und Eimerdusche befinden sich ausserhalb und sind ebenfalls von Grasmatten umgeben. Trohnt man auf dem gemauerten Klo, so sieht man auf das mit Baeumen bewachsene Rivier des Ugab. Um zu duschen, oeffnet eine der Frauen die Zuleitung vom Wasserbehaelter (Sparmassnahme) und heizt die nun gefuellte ehemalige Oeltonne mittels Holzfeuer an.

Das warme Wasser wird von einem Hahn aus in einen Eimer gefuellt, der wiederum in den Duscheimer geleert wird. Nun wird letzterer mit einem Seil ueber eine Rolle hoch gezogen und der unterseits befindliche Duschkopf geoeffnet. Leider verzichten wir auf diese spannende Prozedur, weil sich im Restwasser des Duscheimers ein toter Vogel befindet und troesten uns mit dem Spruch "nur schmutzige Leute muessen sich waschen". Trotz der potentiellen Bedrohung durch Wilde Tiere schlafen wir fest.

Nachdem wir den Frauen etwas Essen und einige Kopfwehtabletten geben, geht die Fahrt in Richtung Skelettkueste. Anfangs fuehrt die Piste durch bergiges Gelaende, das jedoch zunehmend flacher und kahler wird. Umso mehr wundern wir uns ueber die vielen Springboecke und Strausse, Menschen begegnen wir jedoch waehrend der 88 km bis zu Meile 105 an der Kueste nicht. Da das Wetter schoen ist, fahren wir noch bis zum suedlichen Eingang des Skelettkuesten Nationalparks.

Obwohl wir vor dieser langweiligen Fahrt gewarnt wurden "dort ist nichts zu sehen" sind wir gerade von dieser Leere und scheinbar unendlichen Weite der weissen Sand und Salzfelder gefangen.

Wundervoll ist hier der staendige Wechsel der Farben, mal weisser Quarzsand, dann rosa bis roter Granatsand und zwischendrin schwaerzlich gefaerbter Basaltsand. Hinzu kommt rechts die stark weiss schaeumende Brandung des Atlantik (Proteine des zermahlenen Planktons), sowie schneeweiss glaenzende Salzflaechen.

In einem Salzwassertuempel ist das Wasser intensiv scharlachrot gefaerbt und kontrastiert zu der weissen Salkkruste am Rand. Die rote Farbe ruehrt von einzelligen Rotalten. Es heisst, dass das rote Gefieder der Flamingos durch den Verzehr dieser Algen zusammen mit der Fischnahrung zustande kommt.

Bei der Fahrt suedwaerts nach Swakopmund machen wir einen Zwischenstopp bei Cape Cross, wo im Jahre 1486 der Portugise J. Cao dieses Land "entdeckte" (die San taten das schon viel frueher). Zwei Steinkreuze erinnern an dieses historische Ereignis. Wesentlich interessanter ist fuer uns die Robbenkolonie. Zwar stinkt es bestialisch nach verendeten Tieren, doch die Beobachtung dieser putzigen Fettkloesse, die Rangkaempfe der Robbenbullen und die Babyfuersorge der Robbenmuetter haelt uns eine ganze Weile an diesem Ort fest. So unbeholfen diese Tiere auch auf den Felsen herumrobben, so wendig tollen sie im Wasser umher.
Abends in Swakopmund belohnen wir uns fuer die ueberstandenen Abenteuer und Strapazen im Brauhaus mit einer Schweinshaxe auf Sauerkraut mit Knoedeln (Eri) und mit Wiener Schnitzel auf Pommes und Salat (ich).

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